Werner Berg - Starke Farben
"Starke Farben" sind das Thema der Ausstellung. Im Werk Werner Bergs repräsentiert diese kräftige Farbigkeit aber nur ein Schaffensjahrzehnt. Die "Starken Farben" sind in dieser Zeit so etwas wie eine Gegenbewegung zum Gewohnten. Um das Thema dieser Ausstellung verständlich zu machen, ist es daher sinnvoll, einige Überlegungen zum Werk Werner Bergs im allgemeinen anzustellen. Insbesondere möchte ich versuchen, eine Frage zu beantworten:
Was sind die Gründe dafür, dass die Malerei Werner Bergs so typisch und unverwechselbar ist?
Drei Faktoren sind dafür wesentlich:
1. Die Bildthemen aus dem Kärntner Unterland
2. Die Formen ........sowie
3. Die Farbigkeit der Bilder
Zu den Bildthemen:
Werner Bergs Bildinhalte stehen ganz wesentlich mit der Wahl seines Wohnortes in Unterkärnten in Zusammenhang: 1931 hatte der aus dem Rheinland stammende Werner Berg das Studium der Staatswissenschaften abgeschlossen und den "Leerlauf der Kunstakademien" - wie Berg diese Zeit in Wien und München später bezeichnet, hinter sich gebracht. Noch im selben Jahr 1931 siedelt sich Werner Berg gemeinsam mit seiner Frau auf einem einschichtig gelegenen Bauernhof in Unterkärnten - dem Rutarhof - an.
Der Brotberuf des Bauern bedeutet eine mühevolle aber sichere Existenz in einer wirtschaftlich äußerst instabilen Zeit. Zugleich ist die künstlerische Arbeit von der Notwendigkeit eines Verkaufserfolges befreit. Der Künstler ist unabhängig.
Den zweiten Beweggrund für die Ansiedlung liefert aber das Grenzgebiet Unterkärnten mit der besonderen Situation und der Eigenart der Slowenischen Minderheit. Werner Berg sagt über die Motive zu seiner Ansiedlung in Unterkärnten:
"Ungewöhnlich und von keinem Klischee erfaßbar erschienen mir auch von Anfang an die Menschen, die Kärntner Slowenen, deren Wesen ich noch nirgends echt geschildert sah.".
In den ersten Jahren spiegeln die Bildinhalte das Leben des Künstlers und seiner Familie wider, im weiteren - zunehmends Leben und Land der Kärntner Slowenen. Werner Berg zeichnet und malt und hält dabei den kulturellen Status Quo der Gesellschaft fest.
Das erste Interesse gilt dem Menschen und zwar in alltäglichen Situationen. Gespräche in Gasthäusern oder unterwegs, beim Kegeln oder Eisschießen, im Gebet. Oft sind es nur die Sonntage, die es dem Bauer Werner Berg erlauben, Skizzenblock und Bleistift in seine kleine Ledertasche zu packen und sich aufzumachen zum Kirchgang, in eine sonntägliche Wirtshausstube oder auch mit dem Fahrrad auf den Bleiburger Wiesenmarkt.
Landschaften, Blumen, Kirchliche Stilleben sind weitere Themen und immer wieder werden Werner Berg auch die Tiere, die seinen Alltag begleiten, zum Motiv. Besonders eindrucksvoll sind beispielsweise die drei Fassungen des gespaltenen Eberschädels.
Die intensiven Empfindungen, die in solchen Bildern wie den gespaltenen Eberschädeln ihren Niederschlag finden, kann jeder nachfühlen, der es einmal erleben konnte oder mußte, wenn ein durch viele Monate hindurch gefüttertes Hausschwein eines frühen Morgens zum "Sautanz" wie das andernorts in Österreich heißt, aus dem Stall geholt wird. Die Vorgänge rund um das Schlachten müssen gemischte Gefühle hervorrufen: All die sinnlichen Eindrücke - das schrille angsterfüllte Geschrei des Schweines, Blut auf weißem Schnee, das innige, umherschleichende Interesse der Katzen, bis schließlich zum gemeinsamen Essen. Für dieses Wechselbad an Empfindungen ist wohl der aufgehängte und der Länge nach geteilte Schweinskopf ein sinnfälliges Bild.
Werner Bergs Gemälde haben oft einen bedrückenden Charakter - schwere Themen - fast melancholisch. Nicht selten ist auch Fröhliches mit einer schwermütigen Grundstimmung wiedergegeben. Der Mann beim Ringelspiel zum Beispiel sitzt zwar an den "Schalthebeln des Glücks", seine Stimmung steht aber im Widerspruch zu jenem frohen Lärmen und Spaßen, das ihn alle Tage und Abende umgibt.
Neben der häufig düsteren Stimmung dominiert in manchen Bildern aber auch ein pointierter Witz. Im Bild Ebersprung z. B. wendet sich die Bäuerin mit verhaltener Scham von dem prall und drastisch ins Bild gesetzten Treiben der Schweine ab. Das Geschehen läßt selbst den Himmel in grellem Gelb aufleuchten. Dieses Gelb des Himmels scheint aber zugleich auch der peinlichen Betroffenheit der Bäuerin zu spötteln.
Stets sind es die kleinen, ganz gewöhnlichen Begebenheiten des Alltags, die Werner Berg in seine Bilder aufnimmt. Meist sind dies aber Situationen, die eine bildhafte Bedeutung besitzen, die als Sinnbild für die menschliche Existenz im allgemeinen gelten können.
Neben diesen Bildinhalten liegt der zweite Grund für die Unverwechselbarkeit in der Art, wie Werner Berg seine Formen gestaltet.
Ausgangspunkt für jedes Bild ist eine wirkliche Begebenheit; das Zusammentreffen zweier Personen in einer Gaststube etwa, oder auch nur ... eine Gruppe Wartender an einer Haltestelle. Werner Berg ist - mit seinem Skizzenblock unterwegs - ein Suchender. Und jede künstlerisch interessante Situation wird mit schnellen Strichen festgehalten.
Bereits in der Skizze werden alle unwesentlichen Details weggelassen. Bei der Ausführung des Gemäldes werden die Gegenstände weiter vereinfacht, quasi "gereinigt". Es wird eine einfache Formentsprechung gefunden. Augen sind Punkte, Augenbrauen einfache Linien. Details wie Muster oder gar Knöpfe sind nur in seltenen Fällen - wenn dies für die Bildaussage notwendig ist - dargestellt.
Dieses Weglassen ist in dieser Ausstellung am besten nachzuvollziehen an einem kleinformatigen Bild: Wartende Schulmädchen. In diesem Beispiel besteht eine der Mädchenfiguren aus zwei Strichen für die Beine, einem großen Dreieck für den ausladenden Mantel und einem kleinen Oval für den Kopf. Sogar auf die Darstellung eines Gesichtes konnte verzichtet werden.
Trotz dieser extrem vereinfachten Darstellung hat der Betrachter nicht das Gefühl, dass hier etwas fehlen würde. Dem Abbild mangelt es nicht an Vollständigkeit. In dieser konsequenten Suche nach der Reduktion in der Form liegt eine wesentliche Qualität der Kunst Werner Bergs.
Nicht zuletzt sind die Ölbilder auch von den Farben her ganz typisch und unverkennbar.
Werner Berg malt ausnahmslos auf Kreidegrund. Die Leinwand wird dabei mit einer Paste aus Kreide und Leim bestrichen. Nach dem Abtrocknen dieser Grundierung kann dann mit dem Malen begonnen werden. Die an sich fettig glänzende Ölfarbe wird vom Kreidegrund aufgesogen und erscheint so nicht glänzend sondern matt. Diese matte Oberfläche war Werner Berg für die Wirkung seiner Bilder besonders wichtig.
Wenn nun eine Leinwand fertig grundiert ist, überträgt Werner Berg den Entwurf mit dem Pinsel auf die Leinwand. In der Regel erfolgt diese Pinselvorzeichnung in blauer Farbe. Diese Vorzeichnung bleibt in Teilen bis zum fertigen Bild sichtbar und bildet dann den Kontur für die Formen.
So wie der Kontur meist dunkelblau, aber auch hellblau oder violett ist, so liegen auch die typischen Farben Werner Bergs in diesem Bereich des Spektrums. Durch sein ganzes Schaffen hindurch verwendet Berg überwiegend Farben in den Tönen blau, grün, violett - und zwar meist getrübte, verdunkelte Mischfarben. Reine Primärfarben - besonders rot und gelb - sind für Werner Berg eigentlich untypisch.
Die bereits erwähnten Eberschädel sind in allen drei Fassungen der üblichen abgedunkelten Farbigkeit zuzurechnen.
In den Jahren 1958 bis 1967 entsteht nun neben Bildern in der gewohnten blau-kühlen Farbigkeit eine Reihe von Gemälden, in denen warme Farben bildbestimmend auftreten und das Blau zurücktritt. Bei diesen Bildern in den "Starken Farben" gibt es sogar - wie im Ländlichen Liebespaar einen Kontur in Orange und Rot.
Das Auftreten dieser neuen Farbigkeit kann ziemlich genau zeitlich abgegrenzt werden und stellt in diesem Schaffensjahrzehnt eine wichtige Bereicherung der Malerei Werner Bergs dar.
Der Phase der "Starken Farben" im Werk Werner Bergs gehen Jahre von wechselvollem privatem Geschick voraus. Im Jahr 1950 lernt Werner Berg bei einer Autorentagung die Dichterin Christine Lavant kennen. Die Bekanntschaft führt für die Dauer einiger Jahre zu einem künstlerisch fruchtbaren Austausch und zu einer innigen persönlichen Beziehung. Die Bekanntschaft belastet aber andererseits Werner Bergs Lebensumstände in einem solchen Maß, dass die Beziehung schließlich 1955 abgebrochen wird. Ein Selbstmordversuch Werner Bergs im selben Jahr, der zu einem längeren Krankenhausaufenthalt führt, zeugt von der schwierigen persönlichen Situation in dieser Zeit.
Ein bemerkenswertes Bild aus jener Zeit - mit dem Titel die Irren -zieht die Aufmerksamkeit auf sich.
Nach Werner Bergs Genesung konsolidieren sich die Lebensumstände und es folgen Jahre intensiver künstlerischer Tätigkeit. Werner Berg findet in seiner Kunst zu einer neuen Sicherheit. In dieser Zeit tritt eine neue - eine helle - Freude an der Farbe zutage.
Die Zuneigung, die das Ländliche Liebespaar verbindet, wird in ein glühendes Orange getaucht; farbenprächtiges Hühnervolk wird von einem gleißenden Morgen aus dem Stall gelockt; an dem Schaukelburschen mit seiner Glocke ist keine Schwermut mehr festzustellen.
Im Februar 1958 schreibt Werner Berg in einem Brief über seine Arbeit:
Ich stecke tief in der Arbeit .... jetzt oder nie! .... Also: ich bin mit vollen Segeln auf großer Fahrt, Abenteuer aller Abenteuer.
Ab 1967 treten die "Starken Farben" wieder deutlich in den Hintergrund. An ihre Stelle treten im nachfolgenden Spätwerk Farbexperimente anderer Art, eine Reihe hervorragender Bilder, die zur Gänze in Grautönen ausgeführt sind - beispielsweise.
Für das Ende der "Starken Farben" lassen sich wie auch für deren Beginn Hintergründe im Lebenslauf Werner Bergs finden.
Werner Bergs Frau Mauki erkrankt unheilbar und das Fehlen einer Aussicht auf Genesung belastet die Familie. Der Hof wird an den Sohn übergeben. Werner Bergs Frau stirbt 1970, womit für eine Zeit jede künstlerische Arbeit unmöglich wird. Nach der Wiederaufnahme der Arbeit tritt verstärkt der Tod in den Bildern Werner Bergs auf: Es entstehen Trauernde, Requiem, Leidtragende. Spätestens jetzt sind die "Starken Farben" einer wiedergekehrten Schwermut vollends gewichen. Werner Berg ist zu seiner typischen Farbigkeit zurückgekehrt.
Das Schlusswort zu den "Starken Farben" hat der Künstler selber verfaßt:
Und irgendwer hat einmal gefragt: Ja Ihre Bilder sind aber alle ein bißchen schwermütig. Da erzähl´ ich immer die Geschichte vom Schubert, wo er das Forellenquintett komponiert hat, und der Vogel sagt zu ihm: Du Franzi, das ist eine lustige Musik. Und der Schubert schaut ihn über die Brille an und sagt: Glaubst du, dass es eine lustige Musik gibt?.