Im Rausch der Kunst
Skizzen
In künstlerischem Dialog zur Präsentation der Gugginger Künstler zeigt die Kabinettausstellung 2013 jene erstaunlichen und bisher gänzlich unbekannten Skizzen Werner Bergs, bei deren Entstehung die enthemmende Wirkung des Alkohols dem Künstler den Weg zu vollkommener Spontaneität im kürzelhaften Erfassen der Wirklichkeit öffnete. Die Skizzen waren die Grundlage seiner Bildfindung. Stets führte er einen Skizzenblock mit sich, immer bereit bei jeder Gelegenheit das unmittelbare Seherlebnis im zeichnerischen Kürzel festzuhalten. Wie in Trance vermochte er beim Skizzieren in Sekundenschnelle die wesentliche Bildidee zu formulieren. Naturgemäß war ein solcher Zustand gesteigerten Bilderlebens nicht permanent aufrecht zu erhalten und die für die spätere Bildentstehung folgenreichsten Skizzen das Resultat geglückten Augenblickserlebens. Um 1950 begann Werner Bergs in einzelnen Fällen mit dem Skizzieren unter anfangs meist situationsbezogener Alkoholeinwirkung. Berauscht erfuhr der Künstler dabei, wie der Bleistift unkontrolliert durch den einschreitenden Verstand in schweren, dunklen Straffen über das Papier raste und in absurden Kringeln das Motiv umkreiste und verwandelte. Dabei wendete sich sein Interesse immer grotesker werdenden Situationen zu, bis geradezu wahnhaft übersteigerte Gesichte das immer vorhandene Personal seiner ländlichen Welt zur bedrohlichen Vision werden lassen.
Werner Bergs Skizzen sind seit dem Jahre 1930 nahezu vollständig erhalten. Bis 1940 ordnete der Künstler die aus Abreißblöcken entnommenen Skizzen in Jahresmappen, oft mit thematischer Unterteilung. Die Skizzen der 1930er Jahre haben ein Format von 13,2 x 21 cm. Nach seiner Rückkehr aus den Kriegsjahren in Skandinavien benützte Werner Berg Skizzenblöcke im Format 15 x 20,5 cm und begann nun die Skizzen innerhalb eines Jahres durchgehend in ihrer Entstehungsreihenfolge zu nummerieren. Ab 1962 bewahrte er die herausgetrennten Skizzen im zugehörigen, leeren Abreißblock auf. Das Deckblatt des Blockes beschriftete er mit Angaben zum jeweiligen Entstehungsort. Den Skizzen selbst gab der Künstler keine Titel; die angeführten Titel wurden zur besseren Erfassung des dargestellten Motivs beschreibend gewählt. Viele Eigenheiten der Skizzen erschließen sich im Zusammenhang deutlicher als im einzelnen Blatt. Dabei lassen in einzelnen Fällen eine Anzahl von Merkmalen eine Alkoholeinwirkung bei der Entstehung posthum behaupten. Der jeweilige Anlass des betreffenden Skizzierens, wie ein Gasthaus- oder Jahrmarktsbesuch geben in Kenntnis von Werner Bergs Trinkgewohnheiten dem Befund zusätzlich Plausibilität. Letztlich entscheidend für die Aufnahme in diese Auswahl waren stilistische Eigenheiten der betreffenden Skizzen, insbesondere eine immer unruhiger werdende Strichführung, die ostentativ die Umrisse des Motivs zu wiederholen beginnt, dabei zunehmend heftiger, ausladender und fahriger wird und sich letztlich in absurden Kringeln befreit.